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#LangaforMen kämpft für eine Welt frei von geschlechtsspezifischer Gewalt

Unsere Gastautorin Megan Gieske ist eine Schriftstellerin und Fotografin, die in Kapstadt, Südafrika lebt.

Im südafrikanischen Langa haben sich zwei junge Männer ein Ziel gesetzt. Gemeinsam wollen sie geschlechtsspezifischer Gewalt in Südafrika ein Ende bereiten und widmen sich dazu vorwiegend der Aufklärung junger Männer.

„Männer müssen über geschlechtsspezifische Gewalt und Geschlechtergleichstellung aufgeklärt werden, damit Frauen und Mädchen frei sein können“, erklären die beiden Gründer von #LangaforMen, Siyabonga Khusela und Luyolo Lengisi.

Die beiden Männer sind selbst noch jung, gerade einmal 21 und 22 Jahre alt. #LangaforMen gründeten sie 2019 als Reaktion auf die Gewalt gegen Frauen, die sie selbst als Kinder miterlebt haben.

„Wir konnten uns nicht einfach zurücklehnen und nichts tun“, sagt Siyabonga. „Wir haben eine Mission und eine Vision. Wir wollen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein Ende bereiten.“

„Wir kämpfen dafür, denn wir wollen, dass unsere Schwestern und Mütter frei sein können, wenn sie zur Schule, zur Arbeit oder nach Hause gehen.“

„Wir möchten, dass die Opfer Heilung erfahren”, fügt Luyolo hinzu. „Und wir möchten auch, dass die Täter geheilt werden, denn bislang haben wir uns nur der Opfer angenommen.“

Als Frauen ihnen erklärten, dass man Mädchen nicht vorschreiben könne, keine kurzen Röcke zu tragen oder abends zu Hause zu bleiben, dass Mädchen frei sein und sie selbst sein dürfen sollten, wurde Luyolo und Siyabonga klar, dass es zunächst darum gehen müsse, Männer und Jungen aufzuklären. „Als Männer müssen wir zuerst uns heilen, bevor wir rausgehen und andere heilen können“, sagt Siyabonga, „Wir heilen Männer, um die Gesellschaft heilen zu können.“

Die beiden stehen auch für Opfer auf Polizeistationen ein, stellen Informationen über die sozialen Medien bereit, sprechen vor Schulklassen, um Themen wie Menstruation und  damit verbundene Hygienprodukte zu destigmatisieren, und organisieren Meditationsgruppen und Lesungen.

Mit ihren Fahrrädern fahren sie von Tür zu Tür und verteilen Damenbinden. Mädchen aus Familien, die von Armut betroffen sind, können die Hygieneartikel anonym per Social Media bestellen.

Letztes Jahr organisierten Siyabonga und Luyolo als Reaktion auf den Tod von Uyinene Mrwetyana, der landesweit Entsetzen auslöste, ihren ersten Protestmarsch bestehend aus Männern. Die 19-jährige Studentin Uyinene war im August 2019 von einem Postangestellten vergewaltigt und ermordet worden, als sie ein Paket abholen wollte. Wütende Südafrikaner*innen hielten Kundgebungen, Nachtwachen und Protestmärsche ab und brachten so die „Am I Next?“-Bewegung ins Rollen.

Der Einfluss von Covid-19 auf Häusliche Gewalt

Siyabonga und Luyolo fahren auf ihren Rädern am Kulturzentrum Guga S’thebe gegenüber der Johnson Ngwevela Hall vorbei. Vor der Corona-Pandemie veranstaltete #LangaforMen hier Kundgebungen. Sie machten mit Video-Zeugenaussagen von Opfern auf häusliche Gewalt an Frauen und Mädchen aufmerksam. Jetzt ist das Gebäude wegen des Lockdowns leer.

Doch die Arbeit der beiden geht weiter. Sie ist jetzt – zu Corona-Zeiten – wichtiger denn je. Laut Polizeiminister Bheki Cele wurden nur eine Woche nach Beginn des Lockdowns in Südafrika landesweit mehr als 87.000 Fälle von häuslicher Gewalt an Frauen angezeigt.

Nur eine Woche nach Beginn des Lockdowns in Südafrika wurden landesweit mehr als 87.000 Fälle von häuslicher Gewalt an Frauen angezeigt.

Am 16. Juni 2020 nahm Siya Kolisi, einer der beliebtesten Rugby-Spieler Südafrikas, Kapitän der Nationalmannschaft und Mitgründer der Kolisi Foundation, an einem Marsch von #LangaForMen zum Parlament teil. Auf Pappschildern stand in Großbuchstaben geschrieben: „Echte Männer vergewaltigen niemanden!“

Einen Tag später, am 17. Juni, erklärte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa häusliche Gewalt zur „zweiten Pandemie“ Südafrikas.

Häusliche Isolation, Einkommensverlust und der begrenzte Zugang zu medizinischer Versorgung und Hilfsangeboten können das Risiko von Gewalt gegen Frauen erhöhen.

2018 wurden in Südafrika 2.700 Frauen und 1.000 Kinder von Männern getötet und täglich mindestens 100 Fälle von Vergewaltigung gemeldet. Im letzten Jahrzehnt ist die Zahl der Morde und Sexualverbrechen im Land erheblich gestiegen – allein von 2018 bis 2019 nahmen die Fälle von Vergewaltigung um 4,6 Prozent zu. Die UN geht davon aus, dass während eines dreimonatigen Lockdowns die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt in Partnerschaften um 20 Prozent steigen wird.

 

Hoffnung auf Freiheit

Für Siyabonga und Luyolo sind diese Zahlen sehr persönlich. Denn sie selbst mussten als Kinder miterleben, wie ihre Mütter missbraucht wurden.

„Wir kämpfen dafür, denn wir wollen, dass unsere Schwestern und Mütter frei sein können, wenn sie zur Schule, zur Arbeit oder nach Hause gehen“, sagt Luyolo.

Jede Woche veranstalten Siyabonga und Luyolo bei Siyabonga zu Hause sogenannte „Healing-Sessions“ für sechs bis sieben Jungen. Sie haben dabei die Hoffnung, dass diese die Botschaft einer Welt ohne Gewalt gegen Frauen weitertragen.

Luyolo, der seit 2015 Poesie und Drama unterrichtet, lädt Dichter ein, „heilsame“ Gedichte vorzutragen. „Diese Geschichten dürfen nicht verschwiegen, sondern müssen erzählt werden“, sagt er. „Außerdem lernen die Jungen dadurch, mit ihrer Stimme zu spielen und das System zu hinterfragen.“ Luyolo hofft, Jungen vermitteln zu können, dass Schreiben eine Form von Heilen ist und eine Möglichkeit Wut in Worten zu verarbeiten und von Traumata zu heilen.

Während ihrer ersten Session trat ein A-capella-Männerchor aus dem südafrikanischen Township Khayelitsha auf und Siyabonga und Luyolo klärten die Jungen über toxische männliche Rollenbilder, das Patriarchat und Geschlechtergleichstellung auf.

„Wir erklären den Jungen, dass es okay ist, zu weinen.“

„Wir erklären den Jungen, dass es okay ist, zu weinen“, sagt Siyabonga. „Denn in unserer Gesellschaft bekommen wir vermittelt, dass ein Mann keine Gefühle zeigen darf. Vielmehr muss er gegenüber Frauen handgreiflich werden oder jemanden schlagen, um sich Respekt zu verschaffen. Wir möchten ihnen beibringen, dass das nicht stimmt.“

In der grünen Gebirgslandschaft des Tafelbergs leiten Siyabonga und Luyolo eine Healing-Session mit 30 Jungen. Sie lehren sie, alle Lebewesen zu schätzen und sich für eine Welt einzusetzen, in der “Frauen frei sind.”

„In den 1980ern gab es viele Kampagnen für ein freies Südafrika“, sagt Luyolo. „Wir wollen dieses Engagement wiederbeleben und uns für einen internationalen Lockdown des Femizids einsetzen, denn Frauen werden nicht nur in Südafrika missbraucht, sondern auf der ganzen Welt.“

Im Gespräch mit den beiden hat man das Gefühl, Zeuge des Beginns eines neuen Kapitels in der Geschichte Südafrikas zu sein – eines Wandels, der von der nächsten Generation von Führungspersönlichkeiten wie Siyabonga und Luyolo ins Rollen gebracht wird, um eine Gesellschaft aufzubauen, in der Frauen und Mädchen frei sein können.

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