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ONE zu Sondierungsgesprächen: Denkt Jamaika an Afrika?

Was sind die Positionen der Parteien?

Berlin, 1. November. Morgen treffen sich Vertreter*innen von Union, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zu Sondierungsgesprächen über eine mögliche Regierungskoalition. Auf der Tagesordnung stehen die Themen Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik sowie Handel. Die Entwicklungsorganisation ONE fasst die jeweilige Verhandlungsposition der Parteien kurz zusammen und erinnert die Verhandelnden an ihre eigenen Aussagen zur Entwicklungspolitik. Sie fordert die Beteiligten zu ehrgeizigen Anstrengungen im Kampf gegen extreme Armut auf und warnt davor, hinter bisher Erreichtem zurückzufallen. 

Stephan Exo-Kreischer, Deutschland-Direktor von ONE, sagt: „Die derzeitige Bundesregierung erfüllte 2016 erstmalig ihr Versprechen, 0,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Wir erwarten von der kommenden Regierung, diese Zielgröße zu halten, auch wenn die inlandsbezogenen Kosten für Geflüchtete zurückgehen. Wir werden nicht müde, die ‚Jamaikaner‘ während der Regierungsgespräche daran zu erinnern, dass das oberste Ziel der Entwicklungszusammenarbeit immer die Bekämpfung extremer Armut sein muss. Das ist nicht nur moralisch geboten, sondern auch im Interesse Deutschlands und Europas. Es ist daher essentiell, der Entwicklungspolitik auch am Kabinettstisch das Gewicht beizumessen, das ihrer Wichtigkeit für die zentralen Zukunftsfragen widerspiegelt. Daher muss es auch in Zukunft ein eigenständiges Entwicklungsministerium geben.“

Versprechen an die Ärmsten der Welt – ONEs Bundestagscheck
Bereits vor der Bundestagswahl rief ONE alle Kandidat*innen für den aktuellen Bundestag dazu auf, den Artikel ONE zu unterzeichnen. Angelehnt an Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes bekennen sich die Unterzeichner*innen darin zum Kampf gegen Hunger und Armut, zu Investitionen in Gesundheit und Bildung sowie zur Stärkung von Frauen und Mädchen. Insgesamt 38 Prozent der Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen haben sich dazu bisher bekannt. Damit bildet der Artikel ONE die größte Fraktion im Bundestag.

Die Positionen der Parteien 

CDU:

„Ich würde das Entwicklungsressort nicht abschaffen, weil die Frage auch von nichtstaatlichen Akteuren – jenseits von Regierungen, die vielleicht nicht ihre Zivilgesellschaft so betrachten, wie wir uns das wünschen – sehr, sehr wichtig ist.“  (Angela Merkel am 02. Juli 2017 in ihrem Video-Podcast #23/2017) 

„Wir werden mehr für Entwicklungshilfe ausgeben müssen“ (Angela Merkel am 26.09.2016 beim 20. Tourismusgipfel des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft)

  • Wer verhandelt?
    Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, CDU-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sowie CDU-Generalsekretär Peter Tauber
  • Was ist die bisherige Position?
    Die Bundeskanzlerin hat Afrika zu einem Themenschwerpunkt der diesjährigen deutschen G20-Präsidentschaft gemacht. Zudem betont sie immer wieder, dass die Mittel für Entwicklungsfinanzierung steigen müssten. Ihre Regierung löste 2016 zum ersten Mal das Versprechen ein, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe (ODA) aufzuwenden. Allerdings ist dies zu einem großen Teil auf die gestiegenen Ausgaben zur Versorgung von Geflüchteten im Inland zurückzuführen. Ohne die Einberechnung der Geflüchtetenkosten läge die deutsche ODA 2016 bei 0,52 Prozent.
  • Wie viele haben den Artikel ONE unterzeichnet?
    24 Prozent
    der CDU-Abgeordneten im Bundestag haben bereits den Artikel ONE unterzeichnet, darunter Kanzleramtschef Peter Altmaier und CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

CSU:

„Die Entwicklungspolitik gehört in die Mitte, ins Zentrum – auch im Kabinett“ (Gerd Müller am 18. Mai 2017 in seiner Bundestagsrede zur Vorstellung des Entwicklungspolitischen Berichts)

  • Wer verhandelt?
    CSU-Vorsitzender Horst Seehofer, Verkehrsminister Alexander Dobrindt, Entwicklungsminister Gerd Müller, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sowie Thomas Kreuzer, CSU Fraktionsvorsitzender im bayrischen Landtag.
  • Was ist die bisherige Position?
    Im Zuge der Geflüchtetenkrise hat die CSU wiederholt betont, wie wichtig die sogenannte ‚Fluchtursachenbekämpfung‘ sei. Dieser Begriff verschiebt den Fokus vom eigentlichen Ziel der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) – die Bekämpfung extremer Armut – zugunsten nationaler Interessen. Schlägt sich dies in der Strategie der deutschen EZ nieder, riskiert die kommende Bundesregierung, bisher erzielte Erfolge zunichte zu machen. Die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele rückt so in weite Ferne. Der Fokus, den Entwicklungsminister Müller auf Afrika und die Bekämpfung von Armut und Hunger setzt, ist positiv. Es kommt darauf an, ob den Worten tatsächlich Taten folgen.
  • Wie viele haben den Artikel ONE unterzeichnet?
    17 Prozent
    der CSU-Abgeordneten im Bundestag haben bereits den Artikel ONE unterzeichnet, darunter Entwicklungsminister Gerd Müller.

FDP:

„Im Rahmen der vernetzten Sicherheit erscheint es mir klüger, Diplomatie, Entwicklungshilfe und Verteidigung gemeinsam zu betrachten und dafür künftig drei Prozent unserer Wirtschaftsleistung auszugeben. […] Es kann dann sein, dass mal mehr Geld in die Entwicklungspolitik fließe, ein anderes Mal mehr in die Beschaffung von militärischer Ausrüstung.“ (Alexander Graf Lambsdorff am 30. Oktober 2017 im Interview mit der Welt)

 

  • Wer verhandelt?
    FDP-Chef Christian Lindner, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, stellvertretende FDP-Vorsitzende Katja Suding, FDP-Generalsekretärin Nicola Beer, Marco Buschmann, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, EU-Parlaments-Vizepräsident Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer, Volker Wissing, stellvertretender Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz
  • Was ist die bisherige Position?
    Die FDP strebt an, das Entwicklungsministerium in das Auswärtige Amt einzugliedern. ONE sieht dies kritisch, da es zwischen der Außen- und Entwicklungspolitik Zielkonflikte geben kann. Entwicklungspolitik als Unterkapitel der Außenpolitik würde im Zweifelsfall den Kürzeren ziehen. Zudem möchte die FDP insgesamt drei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung, Außen- und Entwicklungspolitik zusammen allokieren, wobei die Ausgaben innerhalb der drei Bereiche immer wieder neu bewertet werden sollen. ONE sieht in diesen Plänen keinen Mehrwert für die Entwicklungspolitik, sondern reale Gefahren. Entwicklungszusammenarbeit muss langfristig planbar sein, um in den Partnerländern wirken zu können. Zudem besteht durch die Kopplung dieser Finanzierungsbereiche die Gefahr, dass internationale Regeln zur Anrechenbarkeit von Entwicklungshilfe aufgeweicht werden, beispielsweise zugunsten militärischer Ausgaben.
  • Wie viele haben den Artikel ONE unterzeichnet?
    14 Prozent
    der FDP-Abgeordneten im Bundestag haben bereits den Artikel ONE unterzeichnet, darunter Konstantin Kuhle, Vorsitzender der Jungen Liberalen und Mitglied des Bundestages.

Bündnis 90/ Die Grünen:

„Das wäre die völlig falsche Antwort.“ (Cem Özdemir am 21. September im Interview mit n-tv zum FDP-Vorschlag, drei Prozent der Wirtschaftskraft für Verteidigung, Außen- und Entwicklungspolitik zusammen aufzuwenden)

  • Wer verhandelt?
    Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, Co-Vorsitzender Cem Özdemir, Fraktionsvorsitzender im EU-Parlament Reinhard Bütikofer, Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, Bundesumweltminister a.D. Jürgen Trittin, Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sowie Agnieszka Brugger, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen.
  • Was ist die bisherige Position?
    Die Grünen sprechen sich für die Stärkung der Entwicklungspolitik aus und fordern weniger Militärausgaben. Rufen nach einer Eingliederung des Entwicklungsministeriums ins Auswärtige Amt erteilten sie bisher eine Absage.  Sie fordern Entwicklungspolitik als ‚globale Strukturpolitik‘ durch eine engere Verzahnung von Armutsbekämpfung und Klimaschutz sowie der Durchsetzung der Menschrechte. Der Einsatz für Geschlechtergrechtigkeit ist ein zentraler Bestandteil grüner Entwicklungspolitik. Sie erkennen außerdem die wichtige Rolle internationaler Steuertransparenz für die Bekämpfung von Korruption in Entwicklungsländern an.
  • Wie viele haben den Artikel ONE unterzeichnet?
    81 Prozent
    der Grünen-Abgeordneten im Bundestag haben bereits den Artikel ONE unterzeichnet, darunter die Spitzenkandidat*innen Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt.

 

ONE ist eine entwicklungspolitische Lobby- und Kampagnenorganisation zur Bekämpfung von extremer Armut und vermeidbaren Krankheiten, insbesondere in Afrika. Im Dialog mit der Öffentlichkeit und politischen Entscheider*innen setzt sich ONE für kluge und effektive Politikansätze und Programme ein, um Aids und andere vermeidbare Krankheiten zu bekämpfen, Investitionen in Landwirtschaft und Ernährung zu erhöhen und mehr Transparenz bei Maßnahmen zur Armutsbekämpfung zu schaffen. Mehr als 8 Millionen Menschen weltweit unterstützen die überparteiliche Arbeit von ONE mit ihrer Stimme. Mehr Informationen gibt es auf www.one.org und auf Twitter: @ONEDeutschland

Pressekontakt:
Scherwin Saedi: 030/319 891 578, 0152/0377 14 29; [email protected]