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Was passiert in Niger?

Aktuelles

Im Juli 2023 hat das Militär in Niger den Präsidenten Mohamed Bazoum durch einen Staatsstreich abgesetzt. Der Kommandeur der Eliteeinheit, General Abdourahamane Tchiani, erklärte sich zum neuen Machthaber und setzte die verfassungsmäßige Ordnung außer Kraft. Wie konnte das passieren? Was bedeutet das für die Bevölkerung? Und was hat Frankreich damit zu tun?

Geographie und Bevölkerung Nigers

Der Binnenstaat Niger liegt in der Sahelzone und wird vom namensgebenden Fluss Niger durchflossen. Niger zeichnet sich aus durch ein ganz besonderes Licht: Der Sand aus der Sahara legt einen orangefarbenen Filter über alles. Rund 25 Millionen Menschen leben im Land, 2 Millionen davon in der Hauptstadt Niamey. Die Bevölkerung ist sehr jung, mehr als die Hälfte ist unter 15 Jahre alt. Niger gehört zu den Ländern mit dem niedrigsten Bruttonationaleinkommen der Welt. Das bedeutet, dass die meisten Menschen nur über ein sehr geringes Einkommen verfügen und nur schwer für sich und ihre Familien sorgen können. Die meisten Menschen sind Landwirt*innen. Da ein Großteil des Landes Wüste ist, leidet die Bevölkerung immer wieder unter schweren Dürren. Es existieren viele formalisierte Riten im Umgang miteinander und die Menschen sind sehr kommunikativ. Es gibt viele verschiedene Ethnien, mit denen sich die Menschen stärker identifizieren als mit einer gemeinsamen nigrischen Identität. Über die Hälfte der Bevölkerung gehört der Volksgruppe der Hausa an.

Niger Wodabee Volksgruppe

Stammesangehörige*r der Wodaabe auf der Cure Salée in Niger – Photo Credit: André via Pexels

Niger als ehemalige Kolonie Frankreichs

Von 1912 bis 1960 war Niger französische Kolonie. Frankreich legte die Grenzen des Landes fest, schuf neue Handelswege und Produktionsformen und siedelte Menschen als Arbeitskräfte an der Küste an. Lokale Produzent*innen und Händler*innen mussten sich umstellen und es gab eine starke Binnenmigration. Die vorkolonialen Reiche waren dagegen von ganz verschiedenen Kulturen dominiert. Der Reichtum vergangener Jahrhunderte, der vor allem durch Handel erwirtschaftet wurde, verschwand während der Kolonialzeit. In den 1960er Jahren erlangte Niger seine Unabhängigkeit. Doch die Kolonialmacht Frankreich blieb präsent, nicht zuletzt wegen der Rohstoffe. So ist Niger nach wie vor Hauptlieferant von Uran für französische Atomkraftwerke. Trotzdem ist Niger eins der am stärksten von Armut betroffenen Länder der Welt und muss mit der Umweltverschmutzung kämpfen, die durch die Minen verursacht wird. Außerdem ist Französisch die Amtssprache, das Bildungssystem ist stark französisch geprägt und französische Institutionen und Medien sind allgegenwärtig. Der anhaltende Einfluss Frankreichs zeigt sich auch in der letzten verbliebenen Kolonialwährung, dem CFA-Franc. Obwohl er als Symbol der Abhängigkeit von Frankreich gilt, wird er immer noch verwendet.

Niger im Sommer 2023

Nach dem Sturz des Präsidenten am 26. Juli 2023 hat die Armee, angeführt von Abdourahamane Tchiani, die Regierung und alle ihre Institutionen gewaltsam beseitigt und eine neue Regierung aus Militärs und Zivilist*innen gebildet. Als Gründe für den Putsch gibt die Militärjunta eine schlechte Regierungsführung und Sicherheitslage im Land an. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS droht dem Land mit Gewalt, um die alte Ordnung wiederherzustellen. Zudem wurde Niger aus der Afrikanischen Union, dem Zusammenschluss aller afrikanischen Staaten, ausgeschlossen. Tchiani will die Macht nach einer dreijährigen Übergangsphase an eine demokratisch gewählte Regierung übergeben. Auch kam es in den vergangenen Wochen immer wieder zu Protesten der Bevölkerung gegen die Präsenz des französischen Militärs und den Einfluss Frankreichs im Land. Sie machen Frankreich als ehemalige Kolonialmacht für Missstände wie Korruption und Unterentwicklung verantwortlich. Frankreich erkennt die neuen Machthaber nicht an. Ende September beendete Paris die militärische Zusammenarbeit und will seine Soldat*innen und den französischen Botschafter bis Ende des Jahres nach Frankreich zurückholen.

Niamey Niger Hauptstadt

Hauptstadt Niamey und Fluss Niger – Photo Credit: Michel Isamuna via Unsplash

Stopp von Entwicklungs- und Finanzhilfen

Da viele Grenzen wegen des Putsches geschlossen sind, ist der Handel eingeschränkt und die Preise, vor allem für Lebensmittel und Benzin, steigen darum schnell. Schon vor dem Putsch war ein Großteil der Bevölkerung auf Hilfslieferungen angewiesen. Doch viele Staaten und Institutionen, darunter auch Deutschland und die Europäische Union, haben ihre Entwicklungs- und Finanzhilfen gestoppt. Hilfslieferungen aus Deutschland sollen dennoch fortgesetzt werden. Im Dezember 2023 gab es dann ein erstes Gespräch zwischen Vertreter*innen der Junta und einer EU-Regierung, um über die Zukunft von Kooperationsprojekten zu beraten. Niger ist auch eine wichtige Migrationsroute für Geflüchtete aus der Sahelzone über Libyen nach Europa. Regelungen über die Kontrolle von Migration mit der EU gibt es nun nicht mehr. Das Dreiländereck Niger, Mali und Burkina Faso ist auch das Hauptgebiet islamistischer Terrorgruppen wie Boko Haram und Islamischer Staat. Dort sind inzwischen mehr Menschen durch islamistischen Terror ums Leben gekommen als im Nahen Osten. Niger war für viele westliche Staaten ein “Stabilitätsanker” und die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Präsidenten Bazoum war sehr gut. Aber das war nur nach außen so. Im Land selbst gibt es nur eine eingeschränkte Meinungsfreiheit.

Die Zukunft Nigers

Wie geht es weiter? Das ist schwer zu sagen. Die Berichterstattung ist schwierig, da die Sicherheitslage immer problematischer wird und ausländische Journalist*innen nur schwer durch das Land reisen können. Die Erfahrungen aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso, die ebenfalls von Militärjuntas regiert werden, zeigen, dass sich die Sicherheitslage durch einen Putsch nicht verbessert. Der malische Ethnologe Mamadou Diawara hält es für wichtig, dass sich der Westen damit auseinandersetzt, warum die Menschen in Niger rebellieren, also nach den Ursachen der wirtschaftlichen und politischen Probleme fragt. Es sei wichtig, den Menschen vor Ort zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse einzugehen.

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