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Wie die Ausgangssperren Afrika unter Druck setzen

Kürzlich verbreitete sich ein Video von Menschen in überfüllten Slums in Lagos, Nigeria, die sich der Ausgangssperre widersetzten. In dem Video äußerten die Menschen ihre Unzufriedenheit über die Ausgangssperre und ihre Bedenken, ihre Nahrungsmittel- und Energieversorgung nicht sichern zu können.

In Kenia wurden Pendler*innen auf einer Fähre mit Tränengas angegriffen als die Polizei versuchte eine Gruppe in Mombasa zu zerstreuen, die vor dem bevorstehenden Ausgangsverbot am nächsten Tag fliehen wollte. Wir müssen damit rechnen, in den kommenden Wochen immer mehr solcher Vorfälle zu sehen, denn die Ausgangssperren durchzusetzen stellt eine große Herausforderung dar. Und die Gründe sind nicht weit hergeholt.

An jedem beliebigen heißen Nachmittag ist in den Straßen Nairobis, Johannesburgs oder Lagos richtig viel los. Du kannst dort beobachten, wie Händler*innen mit Passant*innen um ihre Waren feilschen, um ihr tägliches Brot zu verdienen. Viele Menschen in Afrika arbeiten als Tagelöhner – auf Farmen im ländlichen Afrika, im informellen Sektor, als Mechaniker*in oder Straßenhändler*in. 

Diesen widerstandsfähigen Familien mit ihren fast endlosen Überlebenskämpfen und Versuchen, aus der Armut herauszukommen, wurde gerade etwas vollkommen Absurdes verkündet: Bleiben Sie zu Hause, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen.

Was Ausgangssperren für Millionen Menschen in Afrika bedeuten

In Afrika leben derzeit fast 440 Millionen Menschen in extremer Armut. Damit ist Afrika im internationalen Vergleich der Kontinent mit der größten Armutsgruppe. Jede Stunde rutschen dort im Durchschnitt 12 Menschen in Armut. 

Mehr als 85 Prozent der afrikanischen Arbeitnehmer*innen sind im informellen Sektor beschäftigt, verglichen mit 18 Prozent in Industrieländern. Der Großteil der Arbeiter*innen verdienen täglich geringe Löhne – sie sind kaum in der Lage Vorräte anzulegen. Sie können es sich einfach nicht leisten Zuhause zu bleiben. Sie müssen aus dem Haus, um ihre täglichen Grundbedürfnisse zu decken.

Hinzu kommt die Sorge um den eingeschränkten Zugang zu öffentlichen Gütern wie Elektrizität und Wasser. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung muss täglich Strecken von über einer halben Stunde auf sich nehmen, um Wasser zu holen. Über 660 Millionen Menschen, oder umgerechnet zwei Drittel der Bevölkerung in Subsahara-Afrika, haben keinen Zugang zu Elektrizität. Haushalte, die nicht ans Stromnetz angeschlossen sind, sind auf Erdölprodukte oder andere Quellen angewiesen. Das bedeutet, diese Menschen befinden sich täglich auf der Suche nach Essen, Wasser und Energieressourcen. Das erhöht ihr Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren und es zu übertragen.  

Noch schwieriger sieht die Situation der Slumbewohner*innen an den Stadträndern aus. Social Distancing ist ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. Da in den meisten Häusern keine Badezimmer oder Toiletten vorhanden sind, sind die  Menschen häufig auf öffentliche Toiletten und kommunale Wasserhähne als einzige Wasserquelle angewiesen. 

Es wird immer schwieriger für diese Menschen, sich an die Ausgangssperre zu halten. Dies ist besonders besorgniserregend, da untersucht wurde, dass sich Covid-19 auch durch Fäkalien verbreitet. Das Risiko einer Ansteckung in öffentlichen Toiletten oder an Orten ohne jeglichen Zugang zu sanitären Anlagen ist besonders hoch.

Wozu könnte das führen?

Angesichts dieser gefährlichen Umstände, müssen wir mit weiterem Widerstand und stärkeren soziale Spannungen in vielen afrikanischen Staaten rechnen – es sei denn, Regierungen und internationale Partner*innen aus Wirtschaft und Politik stellen die benötigte Versorgung während des Lockdowns sicher, wie etwa Nahrungsmittel für die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen.

Angesichts der kursierenden Fake News und der weit verbreiteten Überzeugung, dass COVID-19 durch die Eliten, die ins Ausland gereist sind, importiert wurde, könnte ein Klassenkonflikt entstehen. Das Misstrauen gegenüber der Regierung und den Eliten, die als diejenigen, die die Ausgangssperren verhängen, wahrgenommen werden, wächst. Die Vorteile des Lockdowns als effektivste Methode, um die Infektion einzudämmen, findet bei der hungernden Bevölkerung wenig Anklang.

Angesichts der Konsequenz, mit der viele afrikanische Länder Ausgangssperren durchsetzen, halten sich die Menschen zunächst an die Regeln. Doch das hat – aufgrund der beschriebenen Schwierigkeiten – seine Grenzen. Menschenrechtsverletzungen sind immer inakzeptabel und können keinesfalls eine Antwort auf diese Krise sein.

Deshalb ist jetzt die Zeit für eine globale Partnerschaft. Eine Partnerschaft, um afrozentrische Lösungen zu unterstützen, die für die Bedürftigsten funktionieren. 

Was wir jetzt tun müssen

Dies muss Massentests auf Corona innerhalb kurzer Zeit, die Sicherstellung von medizinischer Versorgung für die schutzbedürftigen Gruppen und die Unterstützung des Lebensunterhalts umfassen, wenn die Bevölkerung ihren Lebensunterhalt nicht verdienen kann. All diese Maßnahmen erfordern enorme Ressourcen, die die Weltgemeinschaft gemeinsam tragen muss. Nur so können wir soziale Unruhen vermeiden, die sich aus Sperren ergeben. Und nur so können wir die Pandemie weltweit in den Griff bekommen. Denn solange nicht alle Menschen in Sicherheit sind, ist niemand von uns sicher.

Wir von ONE Deutschland fordern daher in unserer Petition an die Bundeskanzlerin, eine global ausgerichtete Reaktion auf das Virus. Das Coronavirus trifft die Menschen und Länder am härtesten, die sich am wenigsten schützen können. Wo du lebst, darf nicht darüber entscheiden, ob du lebst, Schließe Dich unseren Forderungen an die Politik an und unterzeichne unsere Petition.

Dies ist eine Übersetzung. Das Original wurde von Africa Director Edwin Ikhuoria verfasst und am 6. April 2020 veröffentlicht.

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