Der bevorstehende UN-Gipfel in New York bietet die einmalige Gelegenheit, Frauen auf der ganzen Welt zu stärken, meint die Afrika-Chefin der Kampagnenorganisation ONE, Sipho Moyo. Im Interview erklärt sie, wie entscheidend Frauen im Kampf gegen Armut und Hunger in Afrika sind – und was Ihnen das Leben bislang so schwer macht.
Sipho Moyo ist seit 2010 Chefin Afrika-Direktorin der Kampagnenorganisation ONE. Zuvor arbeitete sie knapp 20 Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit, unter anderem bei der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), bei den Vereinten Nationen und bei der Weltbank. Sie sprach in einem Interview mit den ONE-Jugendbotschaftern Hannes Thielsch und Alina Burcin Atay.
Frau Dr. Moyo, warum besitzen so wenige Frauen in Afrika Land?
Es stimmt. Es ist für afrikanische Frauen schwierig, Landeigentümerin zu sein. 50 Prozent der Bauern in Afrika sind Frauen. Sie sind verantwortlich für 80 Prozent des Ernteertrags, aber besitzen nur zwei Prozent der Agrarflächen. Hier spielen rechtliche Bestimmungen und Traditionen eine große Rolle. Erst, wenn Frauen wirklich verbriefte Landbesitzerinnen sind, können sie Kredite beantragen. Mit denen können sie wiederum in technische Hilfsmittel und Dünger investieren und damit die Ernte ertragreicher machen und somit ihre Produktionsrate erhöhen. Aber es ist schwer für sie, Kredite zu erhalten, um Land zu kaufen.
Aus welchem Grund bekommen Frauen so schwer Kredite?
Kredite können oft nur beantragt werden, wenn es einen Ehemann gibt, der die Kreditvereinbarung unterschreibt. Witwen haben es dementsprechend zusätzlich schwer und stecken in der Armut fest, zumal Frauen oft kein Land von ihren Vätern oder Ehemännern erben können.
Es handelt sich also um strukturelle Hindernisse für Frauen.
Genau. Und auch, wenn es vereinzelt rechtliche Garantien für weibliche Landbesitzer gibt, besteht oft die Gefahr, dass sie von ihrem Land vertrieben werden. Das kann je nach Staat verschiedene Ausprägungen haben.
Was können Frauen in Afrika für ihre Gesellschaften leisten, insbesondere im Kampf gegen extreme Armut?
Es gibt ein großes ungenutztes Potential, da sind viele Bereiche miteinander verknüpft. Nehmen wir das Thema Bildung: Eine bessere Bildung für Frauen führt zu besserer Gesundheitsversorgung, einer besseren sozialen Stellung und zu weiteren Vorteilen für die Familien. Mir ist insbesondere wichtig, dass in den Familien ein starkes Frauenbild weitergegeben wird, das die nächsten Generationen verinnerlichen.
Die Stärkung von Frauen ist entscheidend für sozio-ökonomischen Wandel sowie im Kampf gegen extreme Armut und Armut im Allgemeinen. Wir können extreme Armut nicht beenden, wenn wir die Hälfte der Weltbevölkerung im Stich lassen.
Bestätigen das Ihre eigenen Erfahrungen?
Ja, mein größter Vorteil war, dass meine Eltern in meine Bildung investiert haben. Bildung trägt enorm zu Gleichberechtigung bei. Wenn man in die Bildung von Frauen investiert, stärkt man nicht nur diese Frauen, sondern auch ihre Umwelt und zukünftige Generationen.
Wo sehen Sie Afrika in 15 Jahren?
Kurz vor der Verabschiedung der Globalen Ziele der Vereinten Nationen wünsche ich mir, dass die Staats- und Regierungschefs die Ziele nicht nur verabschieden, sondern auch als Handlungsauftrag an sich selbst verstehen. Der UN-Gipfel bietet die einmalige Gelegenheit, Frauen auf der ganzen Welt zu stärken. Sollte dies mit den nötigen finanziellen Mitteln und gezielten Investitionen gelingen, haben wir die Möglichkeit, extreme Armut in Afrika und andernorts tatsächlich zu besiegen.
Vergessen wir nicht: Vor gerade einmal 20 Jahren hat die Weltgemeinschaft sich das erste Mal wirklich mit der Stärkung von Frauen und Mädchen auseinandergesetzt. Mit der Verabschiedung der Globalen Ziele können wir einen Meilenstein setzen. Das ist unsere Chance.
Zuerst erschienen bei euractiv.de