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Warum wir einen Schuldenstopp für Afrika im Kampf gegen COVID-19 brauchen

Unser Gastautor Amadou Mahtar Ba ist ein Mitglied des Africa Policy Advisory Boards bei ONE. Er ist außerdem Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender von AllAfrica Global Media Inc., die allAfrica.com besitzt und betreibt.

Die Kosten für Afrikas Wirtschaft und Gesundheitssystem, die durch die COVID-19-Pandemie entstanden sind, sind in jeder Hinsicht beispiellos. Mit über 50.000 Todesopfern und bisher mehr als 2 Millionen bestätigten Infektionen gibt es auf dem afrikanischen Kontinent viele Gründe, besorgt zu sein.

Es ist die erste den gesamten Kontinent betreffende Rezession seit 25 Jahren, die die Lockdown-Maßnahmen in Afrika losgetreten haben. Und soweit hat sie den Kontinent schätzungsweise 115 Milliarden US-Dollar an entgangener Wirtschaftsleistung gekostet und bis zu 40 Millionen zusätzliche Menschen in extreme Armut gestürzt, so die Weltbank.

Schon bevor der erste COVID-19-Fall in Afrika bekannt wurde, stand Afrika vor etlichen Herausforderungen. Viele afrikanischen Länder hatten bereits vor der Pandemie Schwierigkeiten damit, die fälligen Schulden in Höhe von 547 Milliarden US-Dollar bei anderen Staaten, multilateralen Banken und privaten Kreditgebern zurückzuzahlen. Jetzt stehen sie vor einem unlösbaren Liquiditätsengpass: Die nationalen Staatskassen haben kein Geld, um die Kosten zur Bekämpfung der Pandemie zu decken, Kosten, die die wirtschaftliche Lage verschlimmert. Gleichzeitig fallen immer mehr Bürger*innen, die die Kosten der Pandemie ohne staatliche Hilfe tragen, in Armut. Während die reicheren Länder in der Lage waren, mehr als 11 Milliarden US-Dollar auszugeben, um die Auswirkungen von COVID-19 abzufedern, benötigen die afrikanischen Staaten dringend notwendige Ressourcen, um eine robuste Reaktion auf die Pandemie und eine Erholung von der Krise überhaupt erst möglich zu machen.

Erschwerte Bedingungen, um sich von der Krise zu erholen

Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt: Um sich von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie erholen zu können, stehen die afrikanischen Regierungen bis Ende 2023 einer Finanzierungslücke von etwa 345 Milliarden Dollar gegenüber. Das ist der Betrag, der benötigt wird, um ausreichende Notfall-Konjunkturpakete zur Belebung der Wirtschaft, zur Stärkung der nationalen Gesundheitssysteme und zum Aufbau sozialer Sicherheitssysteme zum Schutz der am meisten gefährdeten Gruppen zu finanzieren. Diese Mittel könnten durch die “Liquiditäts- und Nachhaltigkeitsfazilität” finanziert werden, die die UN-Wirtschaftskommission für Afrika vorgeschlagen hat. Das könnte die anfallenden Kreditkosten senken, indem sichergestellt wird, dass kurzfristige kommerzielle Schuldenverpflichtungen erfüllt werden und zusätzliche Liquidität für den privaten Sektor bereitgestellt wird.

Der Mangel an finanziellen Spielraum der afrikanischen Länder, um die Pandemie und ihre Folgen zu bewältigen, kann laut dem IWF auf vier Herausforderungen zurückgeführt werden:

  1. Die hohe Verschuldung im Verhältnis zum BIP:  Der IWF sieht die stetige Kreditaufnahme von Ländern, die sich nah oder am Notstandsniveau befinden als keine nachhaltige oder langfristige Lösung. Bei der Aufnahme von Krediten dürften die Wechselkursrisiken und die realen Kosten für die Rückzahlung der Schulden nicht vergessen werden.
  2. Riesige Lücken zwischen Ausgaben und Einnahmen: Dies zwingt die afrikanischen Länder, alternative Finanzierungsmöglichkeiten für Entwicklungsprojekte zu suchen. Folglich werden Kredite zu einer Notlösung, die die Schuldenlast weiter verschlimmert.
  3. Hohen Kosten durch Kreditaufnahmen: Afrikanische Staaten müssen Kredite mit horrenden Zinssätzen zwischen 5% und 16% für 10-jährige Staatsanleihen aufnehmen. Im Vergleich zahlen Staaten in Europa und Amerika einen Zinssatz von fast null bis hin zu einem negativen Zins. Für die afrikanischen Volkswirtschaften in Subsahara-Afrika stellen die Zinsrückzahlungen den höchsten und am schnellsten wachsenden Teil der Ausgaben dar.
  4. Die Abwertung vieler afrikanischer Währungen gegenüber den großen internationalen Währungen: Dies steigert den Infaltionsdruck in vielen afrikanischen Ländern. Zum Beispiel haben der botswanische Pula und der südafrikanische Rand seit dem Ausbruch der Pandemie etwa 8% ihres Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren.

Afrikas Schuldenlast erstickt das Wachstum der Volkswirtschaften und lässt die Gesundheitssysteme stagnieren. Doch gerade diese sind notwendig, um die Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Während eine Vielzahl von Regierungen den Anteil der öffentlichen Gesamtausgaben für Gesundheit erhöht haben, geben afrikanische Länder “bis zum Fünffachen ihrer Gesundheitsbudgets für die Rückzahlung von Schulden aus.” Insgesamt bleibt die unzureichende Finanzierung des Gesundheitswesens eines der größten Hindernis, effektive Gesundheitsdienstleistungen bereitzustellen.

Allein für dieses Jahr wird geschätzt, dass der Kontinent fast 55 Milliarden US-Dollar für den Schuldendienst ausgeben werden muss. Aber nur das Aussetzen von Schuldenrückzahlungen gibt den Regierungen die Möglichkeit mit den notwendigen Maßnahmen die Pandemie zu bekämpfen. Sie könnten den steigenden Bedarf an Gesundheitsleistungen decken und Unternehmen und Gemeinden in der Krise unterstützen.

Was bisher passiert ist

Die Reaktion der Gläubiger*innen auf Afrikas Notlage war bisher enttäuschend. Die G20-Länder haben auf die Krise mit einer vorübergehenden Aussetzung der Schuldendienstzahlungen in Höhe von 5 Milliarden Dollar reagiert. Das entspricht in etwa 40% dessen, was Afrika vor der Pandemie für den Gesundheitssektor ausgab. Abgesehen von bilateralen Kreditgebern haben sich multilaterale Institutionen und private Finanziers – einschließlich internationaler Anleihen und Geschäftsbanken – nicht bereit erklärt Schuldenrückzahlungen in Höhe von 24 Milliarden Dollar auszusetzen. Diese müssen afrikanische Ländern im Laufe des nächsten Jahres also weiter zurückzahlen.

Die afrikanischen Länder sollten nicht gezwungen werden, zwischen der Erfüllung der Schuldenrückzahlungen und der notwendigen Reaktion auf die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen von COVID-19 entscheiden zu müssen. Aus diesem Grund sollte die Afrikanische Union (AU) als Hauptverantwortliche überwachen, wie sehr Schuldenrückzahlungen die Situation der Länder verschlechtert.

Was jetzt passieren muss, um die Folgen der Pandemie zu bekämpfen

  • Die AU muss ihre Mitgliedsstaaten dazu anhalten, Druck auf die G20-Länder, multilaterale Organisationen und kommerzielle Kreditgeber auszuüben, um die Rückzahlung der Schulden bis Ende 2021 weiter auszusetzen.
  • Wohlhabendere Nationen sollten außerdem ermutigt werden, freiwillig einen Teil oder alle ihre Sonderziehungsrechte zu übertragen. Das kann die Devisenliquidität erhöhen und den Druck auf die Zentralbanken der ärmeren Länder verringern.
  • Gleichzeitig sollten die nationalen Finanzministerien Kredite für produktive Ausgaben aufnehmen und die Erlöse aus internationalen Anleihen umsichtiger und mit Integrität und Transparenz verwalten. Die Konferenz der Sprecher*innen und Leiter*innern der afrikanischen Parlamente (CoSAP) kann als Mechanismus dienen, um die afrikanischen Regierungschef*innen hierbei zur Verantwortung zu ziehen. Die CoSAP hat sich verpflichtet, eine transparente und effektive Nutzung der Mittel aus dem Schuldenerlass sicherzustellen.
  • Die afrikanischen Regierungen müssen auch die Korruption bekämpfen und Transparenz- und Rechenschaftsmechanismen einrichten. Um sicherzustellen, dass die frei gewordenen Mittel ordnungsgemäß in die Entwicklung von Sozial-, Wirtschafts- und Humankapital investiert werden.

Du willst mehr dazu erfahren, wie wir uns gemeinsam mit unseren Unterstützer*innen bisher für einen Schuldenstopp eingesetzt haben. Dann schau mal hier vorbei.

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