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Potenziale, Talente und Träume junger Geflüchteter

Dies ist ein Gastbeitrag von Vivian Onano. Sie ist Social Entrepreneurin und humanitäre Aktivistin.

Aktuell befinden sich weltweit knapp 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Die meisten davon sind Kinder und Jugendliche, mit eigenen Träumen und Lebenszielen. Seit vielen Jahren warten sie auf eine Chance, ihr Leben selbst wieder in die Hand zu nehmen und ihren Traum von einer besseren Zukunft wahr zu machen.

Letztes Jahr besuchte ich das Flüchtlingslager Kakuma im Norden Kenias. Die Unterkunft existiert seit 1992 und beherbergt heute rund 196.000 Geflüchtete und Asylsuchende aus zehn Ländern. Im Rahmen meiner Mitarbeit am UNESCO-Weltbildungsbericht mit dem Schwerpunkt Flüchtlinge und Migranten wollte ich mich mit Jugendlichen darüber unterhalten, welche Schwierigkeiten sie beim Zugang zu Bildung haben.

Während meines Besuchs lernte ich viele engagierte und talentierte junge Menschen kennen. Bei einem gemeinsamen Treffen forderten alle der anwesenden Jugendlichen gerechte Bildungschancen. Sie wollen keine Almosen, sondern eine gute Ausbildung, um den sozialen Aufstieg aus eigener Kraft zu schaffen. Das erinnerte mich an meinen eigenen Lebensweg. Durch die hochwertige Bildung die ich erhalten habe, haben sich bestimmte Türen geöffnet. Diese gaben mir die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln, zu wachsen und schließlich zum Allgemeinwohl in meiner Gemeinde beizutragen.

Die Macht der Bildung

Einer dieser jungen Menschen, denen ich begegnen durfte, war Nhial Deng aus dem Südsudan. Nhial und sein Kollege Pascal Zigashane, Mitbegründer der URISE Initiative For Africa, nahmen mich mit in Schulen und zu einer gemeinschaftsbasierten Organisation. Der Optimismus, die Leidenschaft und die Entschlossenheit all der Menschen, denen ich begegnete, waren überwältigend.

Seit zehn Jahren lebt Nhial nun schon im Flüchtlingslager von Kakuma. Zahlreiche Hürden erschwerten ihm den Neubeginn, aber durch Bildung schöpfte er auch Hoffnung.

Denn für Geflüchtete ist Bildung der Schlüssel zu einer hoffnungsvolleren und besseren Zukunft – für sich selbst und ihre Gemeinden.

Als junger Mensch am Rand der Gesellschaft erhofft auch Nhial sich eine bessere Zukunft. Trotz aller Widrigkeiten hat er beschlossen, sich nicht von seinen ambitionierten Zielen abbringen zu lassen. Das hilft ihm, aus jeder sich ihm bietenden Chance das Beste herauszuholen. Auf diese Weise ist es ihm gelungen, nicht nur sein eigenes Leben zu transformieren, sondern auch das Leben von Menschen um ihn herum.

Nhial glaubt an die Ziele für nachhaltige Entwicklung als Schlüssel zu einer besseren Welt. Dafür engagiert er sich in den Bereichen Advocacy, Kommunikation, hochwertige Bildung, Politik, Friedensförderung, Geschlechtergleichheit und Social Entrepreneurship. Er ist fest davon überzeugt, dass junge Menschen wie er einen wichtigen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit, Frieden und Nachhaltigkeit in der Welt leisten können. Dazu wirkt er gleich an mehreren lokalen, regionalen und globalen Initiativen mit.

Global Changemakers

Im März 2019 – eine Woche nach meinem Besuch in Kakuma – wurde er vom weltweiten Jugendnetzwerk Global Changemakers zu einem der „Changemaker“ ernannt. Dieses Jahr ist er als einer der ONE Campaign Champions für Ostafrika ausgewählt und in das Young Leaders Program 2020 von Women Deliver aufgenommen worden. Durch diese Organisationen wird er die Gelegenheit haben, gemeinsam mit anderen gleichgesinnten jungen Menschen zu lernen, sich auszutauschen und ein robustes Netzwerk aufzubauen.

Nhials Stimme ist wichtig und muss in globalen Gesprächen über die Probleme, die seine Gemeinde betreffen, gehört werden.

Chancen für ein erfolgreiches Leben

Der diesjährige Weltflüchtlingstag ist ein guter Anlass, um die Potenziale, Talente, Ziele und Träume von Geflüchteten anzuerkennen. Wir müssen gemeinsam mit ihnen darauf hinwirken, dass sie die Chance bekommen, um ihren Traum von einem besseren, erfolgreichen Leben wahr zu machen.

Diese brillanten jungen Menschen haben das Zeug, Lösungen für ihre Herausforderungen zu entwickeln, und es ist unsere Pflicht, ihnen zuzuhören. Sie sind die Experten von morgen – für Gesundheit, Kommunikation, Wissenschaft und Technik.

Die Geschichte von Nhial macht mir Hoffnung, erinnert mich aber zugleich konstant an das enorme Potenzial in Flüchtlingslagern weltweit, das übersehen und vergeudet wird.

Wenn wir unsere Bemühungen verstärken, um die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu erreichen, müssen wir dafür sorgen, dass wir niemanden zurücklassen – auch nicht die Menschen in den Flüchtlingslagern und in den am stärksten marginalisierten Städten und Gemeinden. Lasst uns stattdessen unser Versprechen erneuern und uns dafür starkmachen, dass jeder Mensch überall auf der Welt ein würdevolles und chancenreiches Leben führen kann.

Während meines Besuchs in Kakuma sagte einer der Jugendlichen: „Flüchtlinge sind Menschen und möchten auch so behandelt werden“. Das Wort „Flüchtling“ bezeichnet dabei keine unveränderliche Charaktereigenschaft, sondern lediglich die derzeitige Lebenssituation eines Menschen. Die Menschenrechte von Geflüchteten müssen bewahrt werden und jeder Geflüchtete verdient, mit Respekt und Würde behandelt zu werden.

Die Jugendlichen von Kakuma haben mich zugleich herausgefordert und inspiriert, als sie mir ihre eindrucksvollen Geschichten erzählten – von Kraft, Mut und dem unerschütterlichen Willen, ihren Traum von einem erfolgreichen Leben wahr zu machen.

 

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