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Wie Kleinbäuer*innen uns dabei helfen können, unser Ernährungssystem zu reparieren

Hier schreibt Dominik Ziller, Vizepräsident von IFAD, dem Internationalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung. Dieser Beitrag spiegelt die Meinung und Ansichten von IFAD wider. 

Warum unser Ernährungssystem ein Problem hat

Es gibt viele Gründe, warum wir uns mit der gegenwärtigen Situation unseres Ernährungssystems nicht zufriedengeben sollten. Die Allgegenwärtigkeit von Überdüngung und Umweltverschmutzung in der Landwirtschaft, Wasserknappheit, Monokulturen, dem CO2-Ausstoß und der Bedrohung durch den Klimawandel dürfte den meisten Leser*innen geläufig sein. Eine Zahl, die schockiert: Im letzten Jahr mussten 690 Millionen Menschen Hunger leiden. Das sind über 200 Millionen mehr Menschen als alle Einwohner*innen der EU. 144 Millionen von ihnen waren Kinder. Und das sind die Zahlen vor Beginn der COVID-19-Pandemie, die gerade weitere hunderte Millionen von Menschen in den Hunger treibt. Es ist klar: Unser Ernährungssystem hat ein Problem.

Rwanda – Support Project for the Strategic Plan for the Transformation of Agriculture, Photo Credit: IFAD

Was haben Kleinbäuerinnen und Kleinbauern damit zu tun?

50 Prozent der konsumierten Nahrung weltweit (gemessen in Kalorien) wird von Kleinbäuer*innen erzeugt. Soweit, so gut: Denn dafür verwenden sie nur 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Wenn der Zugang zu Betriebsmitteln und die Bedingungen gleich sind, sind kleinere Betriebe tendenziell produktiver als viel größere Betriebe. Das spricht für sich, ist aber bei weitem nicht der einzige Grund, warum wir gerade jetzt Kleinbäuer*innen unterstützen müssen, um unser Ernährungssystem zu reparieren. Klarer wird das, wenn wir Herausforderungen in Klima, Ernährung und Armut zusammendenken.

  1. Klima und Umwelt

Der Anteil der weltweiten Landwirtschaft an den globalen Treibhausgasemissionen liegt bei etwa 20-30 Prozent. Der Anteil von Kleinbäuer*innen liegt dabei bei etwa 5 Prozent. Kleinbäuer*innen sind oft enger an ihr Land gebunden und kümmern sich daher stärker um Boden- und Umweltschutz. Sie verbrauchen weniger Wasser und nutzen häufiger den natürlichen Niederschlag. Außerdem bauen sie öfters verschiedene Nutzpflanzen an und wirken so dem Trend der Monokulturen entgegen.

Gleichzeitig sind sie vom Klimawandel und Umweltverschmutzungen ungleich stärker betroffen: Steigende Temperaturen, unvorhersehbarer Niederschlag und Katastrophen wie Dürren und Überflutungen stellen vor allem für Kleinbäuer*innen in Asien, Lateinamerika und besonders in Afrika eine existenzielle Bedrohung dar.

Die gute Nachricht: es gibt etwas, das wir tun können. In den letzten Jahren gab es zum Beispiel eine rasante Entwicklung neuer Technologien, trockenheitstoleranter Pflanzensorten und besserer Wassermanagement-Tools. Aber man braucht Geld, um diese Lösungen einsetzen zu können – um Reservoirs anzulegen, klimaresistente Pflanzen anzubauen, und um die Ernte zu transportieren und verkaufen zu können.

Damit kommen wir zur schlechten Nachricht: Nur zwei Prozent der Gelder, die für den Kampf gegen den Klimawandel mobilisiert werden, kommen bei Kleinbäuer*innen an. Dabei sind sie diejenigen, die am wenigsten zu den Ursachen beitragen und am stärksten von den Konsequenzen betroffen sind. Das ist nicht nur ein Problem, weil es ungerecht ist. Es ist gefährlich.

  1. Hunger und Armut

Wir sehen bereits jetzt, dass die Zahl der hungernden Menschen auf der Welt steigt. Externe Schocks wie klimabedingte Naturkatastrophen und auch die COVID-19-Pandemie tragen ihren Teil dazu bei. Vor diesem Hintergrund allein steht außer Frage, dass wir die Menschen, die 50 Prozent der Nahrung in der Welt produzieren, nicht im Stich lassen können.

Und nicht nur im Kampf gegen den Hunger spielen Kleinbäuer*innen eine zentrale Rolle: Wenn sie mehr verdienen, bringen sie ihr Einkommen direkt in die ländliche Wirtschaft ein und schaffen so Wachstum und Diversifizierung. Fast jedes Beispiel eines Armutsrückgangs auf nationalem Maßstab wurde durch steigende Einkommen von Kleinbäuer*innen angestoßen. Dieser Effekt ist entscheidend: Er zeigt, dass wir die richtigen Bedingungen schaffen müssen, wenn wir die weltweite Armutskrise angehen wollen.

Durch seine Projekte, Kredite und Weiterbildungen kann IFAD jedes Jahr dazu beitragen, dass 15 Millionen Kleinbäuer*innen ihre Produktion und weitere 16 Millionen ihren Umsatz steigern können. Durch digitale Technologien, verbesserte Lager- und Transportmöglichkeiten können wir den Zugang zu Märkten verbessern und Lücken zwischen Stadt und Land schließen. Mit Forschung, Bildung und der Bereitstellung neuer Technologien helfen wir den Meistbetroffenen dabei, sich gegen die Bedrohungen des Klimawandels zu wappnen. Durch die Förderung engagierter Kleinbäuer*innen können wir gerade für junge Leute die Möglichkeit schaffen, Arbeit in ihren Heimatgegenden zu finden. Das zeigt: Eine Unterstützung von Kleinbäuer*innen wirkt sich nicht nur positiv auf das Ernährungssystem, sondern auf die gesamte Gesellschaft aus. Diesen Effekt wollen und müssen wir stärker nutzen.

Niger – Project for the Promotion of Local Initiatives for Development in Aguie, Photo Credit: IFAD

Was muss die Politik tun?

In diesem Jahr finden die Klimakonferenz COP26 und der UN Food Systems Summit 2021 statt. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass die Themen Klima, Ernährung und Armut dabei zusammengedacht werden – denn nur so können wir unser Ernährungssystem reparieren. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft – und die Bedürfnisse der Kleinbäuer*innen – ganz oben auf der globalen politischen Agenda und ganz oben auf der Liste der Empfänger von globalen Investitionen stehen müssen.

Im Jahr 2021 bietet sich uns eine wichtige Gelegenheit, das Ernährungssystem umzugestalten, um Hunger und Armut auf ökologisch nachhaltige Weise zu beenden. Das ist eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen.

Über IFAD

IFAD, der Internationale Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung, ist eine internationale Finanzinstitution und eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Rom – dem Ernährungs- und Landwirtschaftszentrum der Vereinten Nationen. IFAD investiert in die Landbevölkerung und befähigt sie, ihre Armut zu verringern, ihre Ernährungssicherheit zu erhöhen, ihre Ernährung zu verbessern und ihre Resilienz zu stärken. Seit 1978 hat IFAD 22,4 Milliarden US-Dollar in Form von Zuschüssen und zinsgünstigen Darlehen für Projekte bereitgestellt, die schätzungsweise 512 Millionen Menschen erreicht haben.

Über den Autor

Dominik Ziller ist Vizepräsident von IFAD. Er gibt der Institution die strategische Richtung vor, fördert unternehmerische Ansätze und Lösungen und hält die direkte Aufsicht über das Budget, die Qualitätssicherung sowie über die Ethikbüros. Zuvor war er in verschiedenen leitenden Positionen beim BMZ tätig und dort unter anderem für Themen der Entwicklungsfinanzierung und Effektivität/Transparenz zuständig.

Neugierig geworden? Dann könnt ihr IFADs Arbeit auf Twitter folgen.

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