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Geschlossene Schulen in Afrika: Was macht die Corona-Pandemie mit Mädchen & jungen Frauen?

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag des Globalen Fonds. Er wurde von Yebe Diallo basierend auf den Berichten von Grace Ngulube verfasst.

Die 24-jährige Grace Ngulube ist durch Malawi gereist und hat mit jungen Frauen und Mädchen darüber gesprochen, wie sich COVID-19 auf ihr Leben auswirkt. Ihr Bericht gibt uns einen sehr persönlichen Einblick in das Leben und die Träume junger Mädchen und Frauen in ihrem Heimatland. Grace wurde mit HIV geboren und ihre eigenen Erfahrungen prägen ihr leidenschaftliches Engagement gegen HIV und Aids. Sie ist Mitglied des Vorstands des Nationalen Verbandes junger Menschen mit HIV (National Association of young people living with HIV) in Malawi und gehört dem Jugendbeirat des Globalen Fonds an.

Alles begann als rätselhafte Krankheit, als Mythos, eine nicht zu beherrschende Plage, die die Welt in die Häuser zurückgedrängt hat und sie dort gefangen hält. Eingeschränkte Bewegungsfreiheit und geschlossene Schulen konnten zwar COVID-19 in Malawi erfolgreich eindämmen. Die Maßnahmen befeuerten jedoch eine Pandemie der Gewalt gegen Mädchen und junge Frauen hinter verschlossenen Türen. Jahrzehntelange Fortschritte gegen HIV und für Geschlechtergleichstellung sind bedroht.

Bildung rückt in weite Ferne

Als die Schulen geschlossen waren, hörte mein Telefon gar nicht mehr auf zu vibrieren. Ständig kamen neue Nachrichten von jungen Frauen und Mädchen. Für viele war das eigene Zuhause zu einem Ort der Einsamkeit, der Angst und des Missbrauchs geworden.  Sie fühlten sich isoliert, brauchten Geld und wussten nicht, woher sie ihre HIV-Medikamente oder Verhütungsmittel bekommen sollten. Sie schrieben, dass sie die Schule vermissten, ihre Freundinnen und die Freiheit, sich frei bewegen zu können. Da Jugendclubs geschlossen waren, gab es keinen sicheren Ort mehr für sie. Da beschloss ich, durchs Land zu reisen und einige dieser Mädchen und Frauen kennenzulernen, deren Leben sich so schlagartig verändert hatte.

Frau trägt Holz auf dem Rücken. Denkblase, in der ein Klassenzimmer mit Schüler:innen zu sehen ist.

Illustration von Machira Mwangi

„Wegen COVID-19 kann ich nicht mehr lernen. Ich habe das Gefühl, keine Zukunft zu haben. Wir haben so viel Zeit verloren und können unser wahres Potenzial gar nicht entwickeln.“ Josephine, 18, Thyolo, Malawi.

 Für viele Mädchen war Bildung noch nie selbstverständlich. Die geschlossenen Schulen rückten Bildung nun in noch weitere Ferne. Überall in Malawi haben Teenager-Schwangerschaften zugenommen. Durch den Wegfall des Familieneinkommens sahen sich viele gezwungen, sich auf so genannten Transaktionssex einzulassen: das heißt Sex für Nahrungsmittel, Seife, Kleidung usw. Verzweifelte Eltern haben ihre minderjährigen Töchter verheiratet. Viele Mädchen werden wohl leider nie wieder in die Schule zurückkehren.

Covid-19 erschwert den Zugang zu Gesundheitsdiensten

 Auch in Gesundheitseinrichtungen wurden COVID-19-Maßnahmen ergriffen. Dies hat den Zugang zu ohnehin schon eingeschränkten Gesundheitsdiensten für Mädchen und junge Frauen weiter erschwert. Mit zunehmender Armut können sich viele nicht einmal eine Maske leisten.

„Gesundheitsdienste werde nicht mehr wie früher angeboten. Für junge Mädchen wie mich, die mit  HIV leben, heißt das, dass wir unsere Medikamente nicht bekommen. Angesichts der Armut in meinem Dorf, könnten kostenlose Masken Leben retten.“ Beatrice, 16, Phalombe, Malawi.

 Um größere Menschenansammlungen in Gesundheitseinrichtungen zu vermeiden, bekommen Menschen mit HIV ihre Medikamente zur Zeit für mehrere Monate im Voraus.

Es gibt viele Menschen, die glauben, dass junge Leute mit HIV auch automatisch COVID-19 haben. Das erinnert an dunkle Zeiten und bringt alte Traumata der Verfolgung zurück – in einer Zeit, in der wir uns mehr denn je brauchen. Es ist daher unverzichtbar, sichere Zufluchtsorte für Mädchen und junge Frauen zu schaffen.

Junge Frau steht vor einem Baum. Im Hintergrund stehen junge Männer, die miteinander reden.

Illustration von Machira Mwangi

Online-Plattformen zur Selbsthilfe

Meine Organisation, Youth Health Connect360, hat sich mit anderen Jugendorganisationen in Malawi zusammengetan, um jungen Menschen über Messenger-Dienste und soziale Medien zu unterstützen und ihnen verlässliche Informationen zu HIV und COVID-19 anzubieten. Diese Online-Plattformen unterstützen Peer Educators und informieren Mädchen und junge Frauen, wo es sicheren Zugang zu HIV- sowie zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung gibt. Inzwischen sind die Plattformen zu einem vertrauenswürdigen Kanal geworden, um Gewaltvorfälle, ungewollte Schwangerschaften und Engpässe bei HIV-Medikamenten zu melden. Über 200 junge Menschen sind schon Teil unserer Chat-Gruppen.

Mädchen sitzt auf einer Bank und tippt in ein Handy.

Illustration von Machira Mwangi

Die Folgen von Covid-19 auf den Kampf gegen HIV

Die „neue Normalität“ ist ein Weckruf. COVID-19 infiziert das Leben einer ganzen Generation und zerschlägt die Träume Millionen heranwachsender Mädchen. Denn die Pandemie könnte dazu führen, dass HIV sich weiter ausbreitet, Fortschritte in der Geschlechtergleichstellung zum Stillstand kommen und Armut sich verstetigt. Darum fordere ich Regierungen und Gemeinden dringend auf, junge Frauen und Mädchen in den Mittelpunkt aller Maßnahmen zur Vorbereitung, Bekämpfung und Bewältigung der Krise zu stellen. Jetzt ist genau der richtige Moment, um zusammen mit heranwachsenden Mädchen und jungen Frauen eine mutige Bewegung zu starten, um ihre Rechte auf Gesundheit und Bildung wieder mit Leben zu erfüllen. Das ist das Fundament, um tief verwurzelte Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern abzubauen, HIV zu besiegen und die häufig verborgenen, aber verheerenden Auswirkungen anzugehen, die COVID-19 auf  Mädchen und junge Frauen hat.

 Grace Ngulube

Über den Global Fonds

In Malawi hat der Globale Fonds 31,4 Millionen US-Dollar bereitgestellt, um COVID-19 einzudämmen, Gesundheitssysteme zu stärken, Gesundheitspersonal zu schützen und lebensrettende HIV-, Tuberkulose- und Malariaprogramme an die neue Lage anzupassen. Mit den Mitteln wurden HIV-Programme so umgestaltet, dass der Zugang zu lebensrettenden Angeboten für heranwachsende Mädchen und junge Frauen trotz COVID-19 ohne Unterbrechungen gewährleistet ist. Für so genannte Peer Educators, die Gleichaltrige in schwer zugänglichen Gemeinden betreuen, wurde persönliche Schutzausrüstung beschafft. Weiterhin werden u.a. Radiosendungen finanziert, die über geschlechtsspezifische Gewalt aufklären und zu Verhütung ungeplanter Schwangerschaftschaften informieren. Um Mädchen in Malawi und anderen Entwicklungsländern vor HIV zu schützen, sind angesichts der COVID-19-Pandemie dringend zusätzliche Mittel nötig.

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