Als Expertin für Migration und Transnationalisierung forschte Dr. Medinat Abdulazeez Malefakis von Frühjahr bis Herbst 2019 am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin. Ihr Schwerpunkt ist die Rolle der Religion im Kontext von Terrorismus im Tschadseebecken von Westafrika, zum Beispiel bei Boko Haram. Außerdem setzt sie sich aktiv für die Rechte von Frauen und Mädchen ein. Besonders in den sozialen Medien, auf Twitter und Instagram, macht sich Medinat Abdulazeez Malefakis für feministische Projekte und Ziele stark. Wir haben ihre Zeit in Berlin genutzt und nach ihrer Meinung zum Potential von Feminismus im Jahr 2019 gefragt.
ONE: Warum ist Feminismus 2019 so wichtig?
Medinat Abdulazeez Malefakis: Feminismus brauchen wir immer, jedes Jahr. Denn es scheint, als würden immer noch viele Menschen Gleichberechtigung mit Geschlechterparität verwechseln. Mit letzterer hat Feminimus tatsächlich wenig zu tun, sondern viel mehr mit Geschlechtergleichstellung. Und wenn wir 2019 immer noch darüber reden müssen, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden und die gleichen Chancen erhalten sollten, dann brauchen wir Feminismus definitiv noch. Wir brauchen Feminismus, bis die Welt versteht, dass Gleichberechtigung genauso wichtig ist wie die fundamentalsten Menschenrechte. So, wie die Welt momentan tickt, sind Frauen per se in einer benachteiligten Position. Nach einer Situation der sexuellen Gewalt beispielsweise sind sie zwar eigentlich die Opfer. Doch häufig schämen sie sich sehr und werden ausgegrenzt, weil sie vergewaltigt oder belästigt wurden. Um mit solchen sexistischen Traditionen zu brechen, die Frauen im Gegensatz zu Männern moralisch viel stärker zur Verantwortung ziehen, brauchen wir Feminismus.
ONE: Welche*r Politiker*in kann tatsächlichen Wandel für Frauen und Mädchen weltweit herbeiführen?
Medinat Abdulazeez Malefakis: Das ist aus meiner Sicht ohne Zweifel Jacinda Ardern, die Premierministerin Neuseelands. Für mich ist sie ein ideales Vorbild dafür, wie Mädchen und Frauen auf der ganzen Welt ihr Potenzial entfalten können. Eine Regierungschefin, die nicht versucht, ein ‚Mann‘ zu sein und etwas tatsächlich Qualitatives zur Ebene der Entscheidungsträger*innen beiträgt. Eine Regierungschefin, die mutige Entscheidungen trifft, welche besonders angesichts terroristischer Bedrohungen so wichtig sind. Eine Regierungschefin, die allen zeigt, dass man als Frau alles sein kann, was man möchte, weiblich und Premierministerin; Mutter und Kabinettsvorsitzende. Und dass es in Ordnung ist, sein Baby zur Generalversammlung der Vereinten Nationen mitzubringen! Mit ihren Taten beweist sie kontinuierlich, dass Umstände, von denen gesagt wird, dass sie Frauen und Mädchen in ihren Möglichkeiten einschränken (wie beispielsweise Kinder zu bekommen), im Job und überall viel liberaler angegangen werden sollten – damit Frauen aufsteigen und Karriere machen können, genau wie Männer.
ONE: Was wäre Ihr ultimativer Tipp an Menschen, die sich weltweit für Frauen und Mädchen stark machen wollen?
Medinat Abdulazeez Malefakis: Frauen und Mädchen sehen sich weltweit individuellen Hindernissen gegenüber, je nach der Gesellschaft, in der sie leben. Aus diesem Grund sollte es weniger Verallgemeinerungen im Einsatz für Gleichberechtigung geben. Und ich möchte hinzufügen, dass Aktivist*innen eine Bedarfsanalyse durchführen sollten, bevor sie eine Kampagne ins Leben rufen.
ONE: Haben Sie selbst ein Vorbild? Und wenn ja, wer ist es und aus welchen Gründen?
Medinat Abdulazeez Malefakis: Nicht nur eines – viele. Das Durchhaltevermögen und die Widerstandskraft meiner Mutter sind sehr beeindruckend und in diesen Punkten wäre ich eines Tages gern wie sie. Meine Schwiegermutter ist auch eine unglaubliche Person, das ist fast unwirklich. Ich fühle mich in so vielen Punkten von ihr inspiriert. Nun wissen Sie natürlich auch, dass Jacinda Ardern mit auf dieser Liste steht. Außerdem fühle ich mich von Persönlichkeiten angezogen, die Stereotype herausfordern und Barrieren abbauen, wie Halima Aden.
ONE: Bis zum tatsächlichen Erreichen von Gleichberechtigung ist es noch ein langer Weg. Was ist Ihrer Meinung nach der erste Schritt, um alle Barrieren und Hindernisse für Mädchen und Frauen abzubauen?
Medinat Abdulazeez Malefakis: Zugang zu Bildung. Wenn alle Mädchen und Frauen Bildung erhalten, ist das bereits ihr Sprungbrett für eine gleichberechtigte Wettbewerbssituation. An Orten wie Nordnigeria beispielsweise, wo Jungen in die Schule und Mädchen auf die Straße zum Betteln geschickt werden, wird diese Ungleichheit in Bildung weiterhin in eine allgemein ungleiche Gesellschaft resultieren. Zugang zu Bildung für alle ist der einfachste Weg, ungleiche geschlechterspezifische Vorstellungen zu beseitigen.