In den Parteizentralen von CDU, CSU und SPD gehen die Koalitionsverhandlungen in den Endspurt. ONE in Deutschland, Oxfam Deutschland, die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung, Plan International Deutschland und World Vision Deutschland haben einen gemeinsamen Brief an die Parteivorsitzenden der Union und der SPD geschrieben, um sie aufzufordern, mit dem Koalitionsvertrag die Grundlage für eine starke Entwicklungszusammenarbeit in der 19. Legislaturperiode zu schaffen.
Sehr geehrte Frau Dr. Merkel,
sehr geehrter Herr Schulz,
sehr geehrter Herr Seehofer,
wir wenden uns heute als zivilgesellschaftliche Organisationen an Sie, um Sie zu bitten bei den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag die Grundlage dafür zu schaffen, dass Deutschland internationale Verantwortung übernimmt und seinen Beitrag zu einer gerechten, nachhaltigen und friedlichen Welt leistet.
Der Koalitionsvertrag bildet den Rahmen für eine effektive und nachhaltige deutsche Entwicklungszusammenarbeit in der laufenden Legislaturperiode. Doch die Ergebnisse der Sondierungsverhandlungen sind ernüchternd.
Dem Sondierungspapier zufolge bekennen Sie sich zwar zu dem Ziel, 0,7 Prozent des BNE für Entwicklungsfinanzierung aufzuwenden. Doch mit den aktuell vorgesehenen Aufwüchsen von 2 Milliarden Euro für Verteidigung und ODA könnte nicht einmal die für 2018 erwartete ODA-Quote von 0,52 Prozent aufrechterhalten werden. Die zukünftige Bundesregierung sollte in einem verbindlichen Plan darlegen, wie und bis wann das international vereinbarte 0,7-Prozent-Ziel in dieser Legislaturperiode erreicht werden kann. Hierfür muss die Bundesregierung weit mehr an zusätzlichen Finanzmitteln aufbringen als bisher im Sondierungspapier veranschlagt wurde. Laut Berechnungen des Dachverbands Venro sind mindestens 17,8 Milliarden notwendig, um das 0,7-Prozent-Ziel bis 2020 zu erreichen. Dies könnte z.B. finanziert werden, indem ein signifikanter Teil der Mittel aus der geplanten Finanztransaktionssteuer für die Entwicklungszusammenarbeit genutzt wird.
Gleichzeitig darf Entwicklungspolitik nicht auf eine Strategie zur Bekämpfung von Fluchtursachen reduziert werden. Effektive und nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit kann dazu führen, dass Menschen nicht durch Hunger, Konflikt oder Hoffnungslosigkeit zur Flucht gezwungen werden. Allerdings ist ein direkter Effekt kaum nachweisbar. Im Gegenteil sehen wir die Gefahr, dass eine Entwicklungszusammenarbeit, die den Zielen einer sicherheits- oder migrationspolitischen Strategie untergeordnet wird, weder Entwicklung fördert, noch Fluchtursachen bekämpft.
Entwicklungspolitik muss dem Primat der Armutsbekämpfung verpflichtet sein und die schwächsten und verwundbarsten Menschen der Welt stärken. Wir bitten Sie daher eindringlich, sich im Koalitionsvertrag klar zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) und zu den Busan-Prinzipien für eine effektive Entwicklungszusammenarbeit zu bekennen.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Exo-Kreischer, Direktor ONE in Deutschland
Marion Lieser, Geschäftsführerin Oxfam Deutschland
Renate Bähr, Geschäftsführerin Deutsche Stiftung Weltbevölkerung
Maike Röttger, Vorsitzende der Geschäftsführung Plan International Deutschland
Christoph Waffenschmidt, Vorstandsvorsitzender World Vision Deutschland