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Die Corona-Pandemie ist weit mehr als eine Gesundheitskrise

Dies ist ein Gastbeitrag von Sabine Terlecki für die Global Partnership for Education.

Kinder und Jugendliche auf der ganzen Welt können zur Zeit wegen der Corona-Pandemie nicht zur Schule gehen. Zu Hause lernen ist angesagt. Das ist für alle und überall eine neue Situation, aber Schüler*innen und Eltern in Entwicklungsländern stellt Covid-19 vor riesige Herausforderungen.

Seit mehr als 15 Jahren lebe ich als Deutsche in Belgien, einem Land, das wie Deutschland normalerweise über ein weitgehend funktionierendes Bildungssystem verfügt. Zur Zeit ist aber nichts normal, denn wie Millionen andere in Europa und weltweit bleibe ich wegen der andauernden Corona-Pandemie mit meiner Familie zuhause. “Home schooling” ist angesagt und stellt unsere elterliche Geduld (und sicherlich auch die meines Sohnes) auf eine harte Probe. Unsere Tochter hat nun “online Uni” bis Ende August.

Auch wenn es für uns wie für Millionen andere Mütter und Väter ein neuer und wahnsinniger Spagat zwischen Familienzeit, Lernzeit und Job ist: Wir kriegen es hin. Die Schule hat den Kindern am letzten Schultag alle Bücher mitgegeben. Die Lehrerinnen unseres Sohns schickt regelmäßig Wochenpläne und neues Lernmaterial. Inzwischen haben wir auch einige gute Plattformen für Online-Lernen entdeckt, nutzen Videochat-Foren zum Austausch mit Pädagog*innen und anderen Eltern und zur Freude meiner Kinder gibt auch das Fernseh-Schulprogramm einiges her. 

Covid-19 verschärft die Bildungskrise in Entwicklungsländern

Leerer Klassenraum in der Demokratischen Republik Kongo. Auch hier bleiben die Schulen wegen des Ausbruchs des Coronavirus derzeit geschlossen. Credit: GPE/Guy Nzazi

In vielen Entwicklungsländern sieht die Realität allerdings ganz anders aus. Aufgrund der Coronakrise gehen laut UNESCO mehr als 1,5 Milliarden Kinder und Jugendliche zur Zeit nicht zur Schule – zusätzlich zu 258 Millionen Kindern weltweit, auch vorher keinen Zugang zu Bildung hatten. In ärmeren Ländern verschärft sich hierdurch die häufig sowieso schon schwierige Bildungssituation. Viele Kinder besitzen dort nicht einmal eigene Schulbücher. Die meisten Familien verfügen nicht über einen Computer, geschweige denn über Zugang zum Internet. Manchmal können Eltern auch nicht lesen und schreiben, was Unterstützung beim Lernen zusätzlich erschwert.

Die Schulschließungen bedeuten außerdem, dass Millionen Kinder keine regelmäßigen Mahlzeiten mehr bekommen, denn ohne Schule kein Schulessen. Für Mädchen erhöht sich zudem die Gefahr, sexueller Gewalt und früher Verheiratung. Während der Ebola-Krise in Sierra Leone führten Schulschließungen zu einem steilen Anstieg von Teenager Schwangerschaften. Und Jungen, die nicht zur Schule gehen, sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, von bewaffneten Gruppen rekrutiert zu werden. 

Die Corona-Pandemie wird Entwicklungsländer also nicht nur mit Blick auf Gesundheit am härtesten treffen, sondern sich zusätzlich verheerend auf die Ausbildung einer ganzen Generation auswirken. Und damit auf die zukünftige soziale und wirtschaftliche Entwicklung.

Sierra Leone profitiert von Erfahrungen aus der Ebolakrise 

In Sierra Leone wurden während der Ebola-Krise Radioprogramme entwickelt, damit Kinder trotz geschlossener Schulen weiterlernen können. Credit: GPE/Ludovica Pellicioli

Um diesen Folgen der Pandemie entgegenzuwirken, steht die Globale Bildungspartnerschaft (GPE), für die ich arbeite, in engem Austausch mit ihren 67 Partnerländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Damit Kinder auch jetzt weiterlernen können, hat die GPE gerade US$ 250 Mio. Soforthilfe zugesagt. Mit diesen Mitteln können beispielsweise Lernprogramme für Radio und Fernsehen produziert oder Lehrbücher, Radios und andere Hilfsmittel angeschafft werden, die an die ärmsten Familien verteilt werden, oder auch Lehrer*innen für die neue Situation geschult werden.

Was sie genau machen, um Lernen weiterhin zu ermöglichen, entscheiden die Länder selbst. Ein tolles Beispiel kommt aus Sierra Leone, wo man während der Ebola-Epidemie 2014-2016 schon Erfahrungen mit Schulschließungen gemacht hat: Mit finanzieller Unterstützung der GPE brachte die Regierung damals die besten Lehrkräfte zusammen und entwickelte ein Unterrichtsprogramm, das per Radio Tausende Schüler*innen erreichte. Übrigens auch solche, die bis dahin gar keinen Zugang zu Bildung hatten. In Sierra Leone plant man angesichts der COVID-19 Krise, das Programm wieder aufleben zu lassen.

Covid-19 besiegen wir nur gemeinsam

Die Arbeit der Globalen Bildungspartnerschaft wird seit 2005 auch von Deutschland unterstützt. Entwicklungsminister Gerd Müller hat Recht, wenn er sagt: “Corona besiegen wir nur gemeinsam in der Welt – oder gar nicht.” Das gilt nicht nur für den Gesundheitsbereich, sondern auch für die globale Bildungskrise, die sich durch den Corona-Ausbruch noch verschärft hat. Für 2020 hat der Bundestag 50 Millionen Euro BMZ-Mittel für die GPE eingeplant. Diese Gelder können dazu beitragen, dass GPEs Covid-19 Soforthilfe ergänzt wird und Entwicklungsländer die zusätzlichen Herausforderungen im Bildungsbereich bewältigen können. Damit Kinder trotz Covid-19 weiterlernen können und eine Zukunftsperspektive haben.

Infos zur Autorin: Sabine Terlecki, Deputy Lead Donor Relations, arbeitet seit 2016 für die Globale Bildungspartnerschaft (GPE) und ist hierbei insbesondere für den Dialog mit Geberländern in Europa verantwortlich. ONE veröffentlicht gerne Gastbeiträge zu Themen, die einen Zusammenhang zu ONEs Mission haben. Für die Inhalte dieser Beiträge sind die jeweiligen Gastautor*innen verantwortlich. 

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