Heute veröffentlichen wir einen Beitrag der Journalistin Maya Kimberley Prabhu vom Independent Magazin in Uganda, die während der Bombenanschläge in Kampala vor Ort war.
Ich habe während der Weltmeisterschaft viele Abende hier in Kampala in überfüllten Pubs und Restaurants verbracht – vor großen Bildschirmen und eingequetscht in ein Getöse aus Jubel, Vuvuzelas und Fußball-Fachsimpelei. Dieser Sonntagabend aber sollte sich völlig anders entwickeln….
Während der zweiten Halbzeit hörten wir auf einmal einen schallenden, kehligen Schlag. Wir sahen uns beunruhigt an. Was könnte das gewesen sein? Wir überlegten uns Erklärungen wie „Feuerwerk“, „eine Fehlzündung“ oder „Bauarbeiten“, aber der Schlag war viel zu knallend, laut, ja, erdig gewesen. Wir hörten einen weiteren Knall und jetzt wurde ich nervös, aber niemand sonst im Restaurant schien zu reagieren. Unruhig geworden kramte ich mein Handy aus der Tasche und ging sofort dran, als es klingelte. Meine Freundin erzählte hastig: “Zehn Tote bei einer Bombenexplosion in einem äthiopischen Restaurant!” Jeder sollte schnellstmöglich heimgehen. Wie im Trance wiederholte ich jedes Wort, dass sie hervorsprudelte und als ich auflegte, waren wir schon beim Auto angekommen.
Wir versuchten das Geschehene zu verstehen. War es wirklich die Explosion gewesen, die ja angeblich auf der anderen Seite der Stadt stattgefunden hatten, die wir gehört hatten? Aber wir hatten ja ganz sicher zwei Schläge gehört. Hatten sie es auf Ausländer abgesehen? Schließlich ist der äthiopische Stadtteil von Kampala vor allem bei jungen Nicht-Ugandern beliebt… Zuhause angekommen funktionierte das Internet nicht, denn die Detonationen hatten auch Kampalas Informations- und Kommunikationstechnik in Mitleidenschaft gezogen, wie ich später erfahren sollte. Wir machten das Lokalfernsehen an und ich erreichte zwei Kollegen, von denen ich wusste, dass sie vor Ort waren. Ich erfuhr, dass es zwei weiteren Explosionen auf dem nahegelegenen Rugby-Feld gegeben hatte. Das waren die Detonationen, die wir während des Fußballspiels gehört hatten. Angaben zur Anzahl von Toten schwankten zwischen zehn und vierzig. John, ein Freund und Kollege vor Ort, sagte: „die Toten….die Toten sehen so schrecklich aus.“ Wie das äthiopische Restaurant hatte auch der Rugby-Verein einen riesigen Bildschirm und bot viele Sitzplätze. An beiden Orten waren die Menschen während des WM-Finales dichtgedrängt – wahrscheinlich waren es sogar die vollsten Plätze in der ganzen Stadt.
Da ich in Indonesien, Zimbabwe und Kenia aufgewachsen bin, sind mir Gewalt und Unruhen, wie die 2007 in Kenia nicht fremd. Ich muss jedoch sagen, dass Bomben eine völlig neue und gänzlich verstörende Erfahrung sind.
Es war schnell klar, dass die Explosionen Terroranschläge gewesen waren und Al-Shabaab und die Ugandischen Rebellen ADF wurden schnell als mögliche Täter gehandelt. Endlich konnte ich auch meine Schwester erreichen, die seit einigen Monaten für eine Somalische NGO in Nairobi arbeitet. Die traurigen Neuigkeiten waren noch nicht bis zu ihr durchgedrungen und sie war schockiert: „Al Shabaab? Mein Gott“.
Langsam aber sicher funktionierte das Internet wieder und ich begann die Informationen, die durch andere Journalisten zu mir durchsickerten, auf meinen Blog zu stellen. UBC, NTV und Al Jazeera zeigten furchtbare Aufnahmen vom Rugby Club und um zwei Uhr morgens hatte ich es endlich geschafft meinen Freund zu überzeugen, mit mir dorthin zu fahren. Der Verein liegt an einem der Hauptstraßen der Stadt, aber es war still und leer. Schaurig. An die zwanzig Autos parkten an der Straße und es waren auch ein paar Polizisten vor Ort. Ich rief John ein weiteres Mal an und er sagte, dass ich mich sofort mit ihm treffen solle, so dass er mir alles im Detail erzählen könne.
Er wartete an der Straße auf mich und erzählte mir hastig, dass eine Ausgangssperre verhängt worden sei, dass die Polizei dabei war, hart durchzugreifen. Auf einmal erschienen Polizisten auf Motorrädern, die Fußgänger hinterher jagten und sie mit Schlagstöcken malträtierten.
Nun, drei Tage später, kehrt der Alltag so langsam wieder ein; Straßen und öffentliche Plätze beleben sich wieder. Aber Kampala ist nervös. In den Zeitungen finden sich grausige Bilder von den Anschlägen und jeden Tag gibt es falsche Gerüchte über weitere Anschläge. Ein Mann wurde verhaftet nachdem er sein Mobiltelefon weggeschmissen hatte und eine vierte Bombe wurde gefunden: ein Blindgänger, der mittlerweile von der Polizei entschärft wurde. Die offizielle Anzahl der Toten beläuft sich auf 76 und ich habe gehört, dass in der somalischen Gemeinde hier vor Ort die Angst vor Vergeltung umgeht, denn Al-Shabaab hat sich zu dem Anschlag bekannt. Die Menschen sagen sich: „Das hätte ich sein können“, und fragen: „Was kommt als nächstes?“
-Maya Kimberley Prabhu-